Samstag, 3. November 2012

FO und Fazit: Saroyan.

Letzten Sommer, wenn man die Jahreszeit so nennen darf, kam eine befreundete Studentin auf mich zu und fragte, ob ich ihr das Stricken beibringen könne. Wie wohl alle Strickerinnen ist mein Missionsdrang groß genug, sofort zuzustimmen - klar! Wir einigten uns auf ein vernünftiges Anfängerprojekt - ein Schal mit kraus-rechten Rippen sollte es werden - und zwei Tage später kam A. mit 8 Knäuel Lana Grossa Bingo  in einem wunderbaren Pflaumenton und einer passenden Rundstricknadel zurück und verlangte Aufklärung, was nun zu tun sei.
und davon acht
 Ich zeigte ihr einen Anschlag. Sie machte es nach und bekam eine etwas wobbelige, aber ausreichend-ordentliche Anschlagkante hin.
Ich zeigte ihr, wie man rechte Maschen strickt - und sie "versagte" auf ganzer Linie. Schnell war klar, dass die Probleme in der linken Hand saßen. Als ich damals mit dem Stricken anfing, hatte ich immerhin schon Häkelerfahrung, wusste also, wie man den Faden für die Spannung um die linke Hand schlingen muss und dabei gleichzeitig das zu bearbeitende Werkstück festhält. Die arme A. rang mit der Fadenspannung, dem gleichzeitigen Festhalten des Strickstückes und dem eigentlichen Hantieren mit der rechten Nadel. Wir ribbelten und fingen von vorne an. Ich strickte ein paar Reihen vor, damit immerhin schon ein Anfang gegeben war (die ersten Reihen sind ja immer vergleichsweise fisselig) - A. wurde immer ungeduldiger. Nach einer halben Stunde kam die Frage auf, wieso irgendjemand Stricken jemals entspannend genannt habe. An dieser Stelle schlug ich ein Vertagung und wahlweise einige youtube-Videos vor.
Am nächsten Tag kam A. vorbei, reichte mir die Tüte mit ihren Wollknäuelen, und gab ihre Kapitulation bekannt. Ich war enttäuscht - wie kann man so schnell aufgeben! - und begeistert  - so schöne Wolle! - und etwas pikiert - eine Studentin mit notorisch geringem Einkommen schenkt mir, sozialversicherunspflichtig beschäftigt und DINK Wolle im Gegenwert von 40 Euro! Ich lehnte also ab - aber A. war nicht umzustimmen.
Na gut. Man kann und sollte niemanden zwingen, auch nicht zum Stricken lernen. Aber man kann ihnen unter die Nase reiben, was man alles stricken könnte, wenn man es denn lernen würde... In mir reifte also ein perfider Plan: ich würde die Wolle zum Schein annehmen und für A. verarbeiten. Dann würde sie sehen, was ihr alles entgeht, und spätestens im Winter würde sie wieder angekrochen kommen, mit neuer Motivation. Muahahaha! Genial!
Allerdings hatte ich nicht vor, acht Knäuel kraus-rechten Schal zu stricken. Nichts gegen kraus-rechts--ein schönes, effektvolles, warmes Muster--aber dann zumindest mit ein bisschen mehr Abwechslung, wie z. B. bei Tomten (als Jacke) oder den Streifenfäustlingen.
In meiner Ravelry-Queue befand sich allerdings seit über einem Jahr Saroyan, ein trapezförmiger Schal/Tuch mit hübscher Blattmusterkante.

Die Anleitung von Liz Abinante ist kostenlos und mit über 6000 Projekten sowohl beliebt als auch bewährt. Perfekt!

Und hier mein Fazit:


Das Muster:
Die Anleitung ist in englischer Sprache als kostenloser Download bei Ravelry verfügbar. Die vier Seiten enthalten Fotos, auf denen das Blattmotiv deutlich erkennbar ist, eine Schema-Zeichnung der angestrebten Form, eine ausführliche, ausformulierte Anleitung, sowie zusätzlich eine Strickschrift für das Blattmotiv. Ich fand sie klar formuliert und -Kenntnis der gängigen englischen Strickvokabeln vorausgesetzt (Abkürzungen wurden erklärt) - sehr leicht verständlich.
Technik:
Die Blattkante ist zwar "technisch" ein lace-Motiv, was mich immer ein bißchen einschüchtert, aber mit einem kleinen Mustersatz und ohne besondes komplizierte Herausforderungen ideal für Einsteiger. 

Neben rechten und linken Maschen, Anschlag und Abketteln braucht es nur einige Zu- und Abnahmen - ssk und k2tog, außerdem Zunahmen mittels yarn over und kfb, sowie die Abnahme von drei Maschen zugleich durch slk2p (=abheben, zwei zusammenstricken, abgehobene M überheben). Nichts davon war wirklich neu für mich, dennoch brauchte ich sehr lange, bis ich mir den Mustersatz gemerkt hatte. (Das lag aber eher an meiner eingeschränkten Konzentrationsfähigkeit und einer langen Strickpause zwischendrin...)
Die Wolle:
Natürlich verwendete ich die geschenkte Lana Grossa Bingo, eine reine Merinowolle, deren feste Verzwirnung versprach, die Blattkante schön zur Geltung kommen zu lassen.Zudem ist sie weich genug, um am Hals nicht zu kratzen.
Änderungen:
Für einen Schal glaubte ich, auf eine Maschenprobe verzichten zu können, auch hatte ich keine Lust auf die blöde Umrechnerei von inch in cm. (Wann lernen die in den USA endlich mal, durch 100 zu teilen? Was z.T*. ist gegen das metrische System einzuwenden?!? ) Vorgeschlagen war, 6 Mustersätze für Zu-und Abnahmen und 10 Mustersätze "geradeaus" zu stricken - mir gefiel die erreichte Breite, aber für die Länge habe ich zwei Mustersätze mehr gestrickt (12). Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden, der Schal lässt sich gut tragen und vielfältig binden und er wärmt schön am Hals.
lang genug für die Schlinge - mein Standardknoten
 Was könnte man mehr wollen? Hoffentlich sieht A. das genauso... 
Die harten Fakten:
Saroyan by Liz Abinante
angefangen: 29.September 2012
fertiggestellt: 19. Oktober 2012 (mit 10 Tagen pause dazwischen)
Wolle: Lana Grossa Bingo Solid in Farbe149

verbraucht: 230g /viereinhalb Knäuele
Größe/Maße: 160cm lang von Spitze zu Spitze, 21cm breit (26 inklusive der Blattkante)
Nadeln: Knitpicks Symphonie Rundstricknadeln in Stärke 5, 80cm Seil
weiteres Material: Stopfnadel/dicke Sticknadel zum Vernähen
Kosten: nada - Anleitung war kostenlos, Wolle war geschenkt (und fast die Hälfte ist noch da!)