Sonntag, 14. Dezember 2014

Der Weihnachtshase und Flecki. (Teil 2)

Als der Weihnachtshase hörte, dass die kleine Hasenfamilie traurig war, beschloss sie sofort, sie zu besuchen. (Sie* war ein sehr freundlicher Hase.)
Eigentlich hatte sie in ihrem Bau immer ein bequemes, ärmelloses Sommerkleidchen an, mit hübschen Tupfen.

(Hasen, genau wie viele Menschen, lieben Tupfenkleider.)
Aber weil es draußen schon kalt war, zog sie den dicksten und wärmsten Pullover an, den sie finden konnte. Rote Norwegerpullover sind besonders warm - und kleidsam! Dazu noch eine lange Jeans über die Strumpfhosen gezogen - so war sie gegen das Winterwetter gewappnet!
Eigentlich könnte es jetzt losgehen, aber  der Weihnachtshase zögerte. Wie erwähnt, Hasen sind Rudeltiere, und ihr war ein bißchen bang vor der Reise. Das kann ja auch sehr langweilig werden, ganz alleine. Selbst der Nikolaus hatte immer seinen Knecht Ruprecht dabei, das Christkind wird selten ohne seine Engel gesehen - und auch unser Weihnachtshäschen wollte nur ungern alleine den weiten Weg antreten. Während es noch da saß und hin und her überlegte, kam seine Freundin Flecki vorbei.
"Hallo Weihnachtshase", rief Flecki fröhlich. "Guck mal, ich habe ein ganz neues Kleid! Extra für die Feiertage, sogar mit einem Bubikragen - Bubikragen sind er letzte Schrei, man trägt das jetzt so, süß nicht?" Und sie machte eine kokette kleine Drehung und endete mit einem kleinen Knicks.
"Sehr schick!", sagte der Weihnachtshase beeindruckt. Sie war nicht so eitel wie ihre Freundin (wenn man unter dem Weihnachtsbaum lebt, ist es häufig unordentlich und voller Kekskrümel und Kerzenwachs), aber sie mochte Fleckis heitere, herzensgute Art, auch wenn sie manchmal ein bißchen oberflächlich wirkte.
"Und warum bist du so warm angezogen?", fragte Flecki. "Du willst doch wohl nicht da hinausgehen? Hast du mal aus dem Fenster geguckt?" - " Ich muss!", antwortete der Weihnachtshase. "Da ist eine kleine Hasenfamilie, die wohnen bei einem kleinen Mädchen in ****, und die sind ganz einsam und traurig. Ich möchte sie besuchen und mit ihnen spielen, aber der Weg ist so weit und ich mag nicht alleine fahren. Willst du nicht mitkommen?" "Hmm", sagte Flecki. "Ich würde schon gerne mitkommen, aber ich kann nicht bleiben - ich werde in ****** erwartet, da ist auch ein kleines Mädchen, mit dem ich spielen will. Und stell dir vor, da gibt es noch nicht einmal andere Hasen! Ich wäre die Einzige!" (Die Einzige zu sein gefiel Flecki eigentlich ganz gut. Es schmeichelte ihrer Eitelkeit.)

Da strahlte unser Weihnachtshase! "Herrlich!", rief es. "Lass uns gleich losfahren!"

"Das geht noch nicht," sagte Flecki. "Ich muss doch erst noch packen!  Wir bleiben doch länger, ich kann doch unmöglich nur mit einem Kleid losfahren!"
Der Weihnachtshase seufzte. Das konnte wohl noch dauern.
"Du", sagte Flecki auf einmal. "Wollen wir nicht im Partnerlook gehen?" Du hast doch diesen schicken Pullover, und ich habe ein Kleid, das zufällig genau in den gleichen Farben... Was meinst du? Wir wären totschick, und vielleicht kommen wir ja sogar in die Zeitung, aber mindestens ins Familienfotoalbum, wäre das nicht toll?"
"Na gut", sagte der Weihnachtshase, denn sie wollte los, und sie mochte Flecki wirklich gerne. "Dann ziehen wir uns eben nochmal um. Können wir dann endlich losfahren?"
"Können wir!" sagte Flecki. Sie hüpfte in den Karton, der sie an ihr Ziel bringen sollte. "Bist du auch so aufgeregt?", fragte sie noch, schon etwas schläfrig. (Reisen machte Flecki immer etwas müde.) "Ja, hoffentlich freuen sich die kleinen Mädchen, dass wir kommen!", antwortete der Weihnachtshase. "Bestimmt!", gähnte Flecki noch. "Solange sie mir nicht am Ohr kauen..." Dann kuschelte sie sich in das Seidenpapier und schlief ein, so sicher wie im eigenen Bau.



*Generisches Maskulinum wird im Einzelfall konkretisiert durch das passendere Personalpronomen. Es ist nun mal ein Mädchen. Warum auch nicht.)