Sonntag, 30. Dezember 2012

Neulich in der Redaktionskonferenz...

...des Deutschlandradio "Wissen" saßen ein paar Mädels und ein Tontechniker (Techniker=Mann) beisammen, und unterhielten sich über den "neuen Trend" des DIY.
Nachzuhören hier:
http://wissen.dradio.de/do-it-yourself-stricken-statt-shoppen.92.de.html?dram:article_id=231826

Nun ist das ja eigentlich zu begrüßen.
Tatsächlich finde ich es schön, dass viele Menschen gerne etwas selber schaffen. Der Mensch an sich ist kreativ, und zwar im Sinne von: er/sie will etwas herstellen. Dazu muß man noch nicht einmal etwas von Ästhetik, Design oder Entwerfen verstehen, muss nicht die gesamte Produktionskette vom Schaf zum Pullover oder vom Backstein zum Haus (oder vom Baum zur Gitarre, whatever) beherrschen. Der Begriff "design" wie der Begriff "kreativ" wird zwar häufig sehr eng ausgelegt, aber der angeblich vorhandene, faktisch aber völlig herbeigeredete "göttliche Funke" ist eben nicht jedem gegeben - und würde ohne technisch-handwerkliches (erlernbares) Geschick in der Umsetzung auch niemandem etwas nützen. Tatsächlich muss das Ergebnis noch nicht einmal besonders schön sein (und wer definiert mir hier "schön"?) um beim Herstellenden ein Gefühl der Befriedigung hervorzurufen:
Seht her, ich habe etwas gemacht. Vorher gab es X nicht - X existiert, weil ich es hergestellt habe.
Dorothy Sayers sieht darin sogar einen der urmenschlichsten Triebe überhaupt, und ich bin geneigt, ihr zuzustimmen. (Interessant übrigens ihre theologische Begründung: der schöpfende Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde - als schöpfenden Menschen...)

Nun leben wir in diesen Breiten in Zeiten des Überflusses. Selbst sehr arme Menschen haben in der Regel ein Dach über dem Kopf, Anschluss an Trinkwasser und Zugang zu Kleidung und Nahrung. Das war nicht immer so, und in vielen Teilen der Welt ist es noch immer nicht "normal". Wenn wir hier stricken, geht es nicht mehr darum, einen Pullover oder keinen Pullover zu haben (= nicht zu erfrieren), wenn wir Marmelade kochen oder Gurken einlegen geht es um Geschmack, Inhaltsstoffe, Aromen -vergleichsweise Luxusgüter-aber nicht ums reine Überleben. Das wertet den Pullover, die Gurken, die Marmelade gar nicht ab, ermöglicht doch die vorhandene Grundversorgung mit bspw. Nahrung oder Kleidung erst die Möglichkeit, unsere Energie auf vermeintlich "Überflüssiges", also nicht der materiellen Grundversorgung dienend, zu widmen.
Bauern mit Getreideüberschuss ermöglichen Künstlern das Malen. Damit ist noch nichts über die Qualität der Kunst gesagt.
So denke ich. Jeder der etwas schaffen will, soll das tun dürfen, ohne sich entschuldigen zu müssen und ohne Geschmackspolizei.

Und dennoch - oder deshalb? - hat mich die oben genannte Sendung so irritiert.
Da sitzen ein paar Mädels und ein Mann herum und reden über "Die-Ei-Whei" als "neuen" Trend. Davon abgesehen, dass es IMMER -auch in unseren Breitengraden- Menschen gab, die Dinge hergestellt haben (weil es ein menschliches Grundbedürfnis ist, s. o.), der Trend also weder "Trend" noch "neu" ist, davon also abgesehen tun die Damen ihr möglichstes, etwas selbst zu machen aber dabei "trotzdem" nicht "uncool" zu sein. (Stricken/Nähen: was für Omas. Omas=uncool). Weisen weit von sich, sich etwa Mühe damit zu geben (ach, abmessen is nich so meins. genau arbeiten verdirbt mir den Spaß...)
Ausnahme ist hier -mal wieder?- der Mann: beim Gitarrenbau mit dem beschriebenen finanziellen Einsatz wäre es auch schade, wenn die Gitarre nachher nicht die vorgesehen Töne produzierte. Tatsächlich schildert er mit Stolz, dass die vorerst letzte seiner bisher sechs selbstgebauten Gitarren auch die bisher beste sei, und besser als alles, was er sich im Geschäft leisten könne. Hurra!
Schade nur, dass die handarbeitenden Mädels nicht mal ansatzweise den gleichen Ehrgeiz vertreten. (Falls sie ihn haben, spielen sies herunter) Auch sie bezahlen Geld für Materialien (Wolle, Stoff), auch sie investieren viel Zeit. Aber ihren eigenen Aussagen zufolge ist es ihnen zu mühsam, irgendwas herzustellen was Passform benötigt (ist ja auch schwieriger, nicht umsonst gibt es Ausbildungsgänge/Studiengänge zu Textildesign, Modedesign, Schneiderei etc). Herrje, eine von denen will mit ihrem Gestricke sogar Geld verdienen! Aber so sehr mit seinem Stümpertum  seiner Unprofessionalität zu kokettieren  (haha, ist halt selbstgemacht!)- das finde ich befremdlich.(Und, glaube ich, sehr deutsch. In amerikanischen Blogs kommt mir das soo zumindest nicht unter...)

 Dabei wäre es ein leichtes gewesen, ein paar Menschen einzuladen, die mit mehr Ehrgeiz an ihr Hobby gehen, und dazu stehen, dass sie nicht nur etwas machen wollen, sondern es auch gut machen wollen. Das Internet ist voll von ihnen, sie sind nicht schwer zu finden.
Wohlgemerkt -  ich finde, jede/r soll machen was er/sie mag, und wie sie/er mag, solanger er/sie überhaupt etwas macht (produziert, herstellt).
Aber im Radio möchte ich von Leuten hören, die sich dabei mindestens ein bisschen Mühe geben.

Note to self: gibt es einen vernünftigen deutschen Podcast zum Themenfeld Handarbeit?
Kennt Ihr einen? Hinweise gerne in die Kommentare!
Und nächstes Jahr zeige ich Euch, was ich auf den Nadeln habe! Kommt gut ins Neue Jahr!