Sonntag, 17. Januar 2016

FO und Fazit: Strickschlips für den Meinigen.

Silvester hatten wir Hochzeitstag, und ich habe dem Meinigen einen Schlips gestrickt.
Das hatte er sich tatsächlich irgendwann einmal gewünscht. Naja. Wahrscheinlich hat er eher mal so nebenbei bemerkt, dass ein Strickschlips, den er irgendwo gesehen hatte, gar nicht soo schlecht aussah. Da er sich Sonntags gerne etwas um den Hals bindet - im Alltag/Beruf hingegen eher nicht - dachte ich, ich probiere es mal. Und heute ist Sonntag - hier also das Ergebnis!
Sonntag!
Das Muster:
Ravelry bietet verschiedene Strickanleitungen an, von denen die meisten mich nicht sonderlich überzeugt haben. Anders das "Seed Stitch Tie Recipe", denn es versprach, sich genau an die Ansprüche des Trägers adaptieren zu lassen. Der Meinige, selbst eher schmal gebaut, bevorzugt nämlich schmale Schlipse mit dünnen Knoten, und ringt regelmäßig mit der "Überlänge" gekaufter Langbinder. Wie bei allen Maßanfertigungen versprach ein handgestrickter Schlips, diese Probleme zu lösen... (Vorausgesetzt, man kann richtig messen. Ähem.)
Das (kostenlose, englische) "Seed Stitch Tie Recipe" ist, wie der Name vermuten läßt, eher "Rezept" als genaue Anleitung. Es beginnt mit der Erklärung, welche Maße zu erheben sind - vom Gürtel bis obersten Hemdknopf für den breiten Teil des Schlipses, einmal um den Hals plus 10 inches für den schmalen Teil.   
(Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin nicht sicher, ob dabei der Knoten, der ja auch einige Zentimeter beansprucht, schon angemessen berücksichtigt ist. Dem Meinigen ist der dünne Teil des Schlipses jedenfalls zu kurz, der breite Teil zu lang geraten. Aber das kann auch an mir liegen und lässt sich in Zukunft natürlich anpassen. Unter einem Pullover lässt dieser Mangel sich allerdings verbergen, und das Ding ist somit bedingt tragbar.) 
eindeutig zu lang
Der Rest der Anleitung besteht aus Zentimeterangaben, die vom gewählten Garn und Maschenprobe abhängen, und Hinweisen zu den Abnahmen vom breiten zum schmalen Ende in der Knotenregion.
Technik:
Der Schlips wird in Runden als lange Röhre gestrickt, sodass Vorder- und Rückseite gleich sind. Dadurch wird er allerdings auch doppellagig und somit doppelt dick - bei Wolle vielleicht keine soo gute Idee. Durch (in meinem Fall recht aggressives) Dämpfen wurde er aber flach genug für einen vernünftigen Knoten. Dämpfen scheint mir somit unausweichlich, wenn der Schlips tragbar sein soll.
vorne gedämpft, hinten "nur" feucht platt gedrückt.
Der Schwierigkeitsgrad ist ansonsten gering: Für einen "Seed Stitch", also Perlmuster, braucht es rechte und linke Maschen, dazu benötigt man gerichtete Abnahmen und die Fähigkeit, in der Runde stricken zu können. Ich habe eine kurze Rundstricknadel benutzt. Außerdem braucht es Geduld und Spucke, und in meinem Fall zwei lange Zugfahrten retour mit spannenden Hörbüchern, um nicht vor Langeweile zu sterben. Auch die sehr dünnen Nadeln - 2mm - fand ich ziemlich unangenehm, aber ich wollte ein festes Maschenbild, damit der Schlips später nicht leiert.
Die Wolle:
Für einen Prototyp wollte ich erst einmal aus dem Wollvorrat schöpfen und fand ein gut abgelagertes Knäuel Schachenmeyer nomotto micro in dunklem blau, das ich Anfang 2008 zur Feier einer Neffengeburt gekauft habe. (Die daraus entstandenen Pullover sind prä-Blog und, wie ich vor zwei Jahren beim Wiedersehen mit dem Pulli feststellen durfte, auch prä-Maschenprobe und prä-Qualität. Man lernt zum Glück dazu...
Die Micro ist dünn genug und hat einen ganz leichten Glanz ohne fusselig zu sein, zugleich ist die Farbe dem Meinigen sehr genehm. Damit darf ich es versuchen. Ich strickte sie allerdings sehr sehr fest mit 2mm Nadeln, um sie stabil gegen die zu erwartenden Zugkräfte zu machen.
Änderungen:
Ich habe von der dünnen Seite aus angefangen (aufgrund der Maschenprobe, die ich erst beim Stricken begonnen hatte. Offenbar sollte der gewünschte schmale Schlips dann doch nicht sooo schmal werden...) Dennoch ist selbst die schmale Seite dem Meinigen fast zu breit, um noch bequem unter den Kragen zu passen. 
grenzwertige Breite
Zwar "blitzt" das Material unter dem Kragen nicht hervor - das ginge gar nicht! - aber ich kann mir vorstellen, dass die doppelte Dicke ungewohnten Druck ausübt...
blitzt aber nicht
Ich habe jede "Seite" des Schlipses mit einer linken Masche beendet, sodass zwei falsche Knicknähte entstanden, die ermöglichen sollten, den Schlips flach und zugleich gerade zu Dämpfen (hat auch gut funktioniert - würde ich wieder tun). 
links: vor dem Dämpfen: gut sichtbare "Naht" und auch Dicke (rechts: möglicherweise für Kunstfaser zu heiß gedämpft, dafür angenehm flach)
Und ich habe das Perlmuster geändert, indem ich jede zweite Runde glatt rechts gestrickt habe. Gefiel mir bessser. Und ich habe auf Wunsch des Meinigen eine spitze Spitze angestrickt, indem ich auf den letzten 5 Zentimetern in jeder Rechtsrunde beidseitig je ssk/k2tog gestrickt habe - er wollte keinen flachen Abschluss.
Was dem Meinigen bei allen prototypischen Mängeln jedenfalls sehr gefällt (sagt er), ist der stabile, rutschfeste Knoten, der einen tollen Stand hat. 
Offenbar muss man seitlich durch den Knoten durchgucken können. Muster und Farbe sagen ihm auch zu. Und natürlich die Liebe und Mühe... *hust*... nein wirklich, das weiß er glücklicherweise sehr zu schätzen. (Memo to self: habe genau den richtigen Mann geheiratet!)
Insgesamt ist es also keine doofe Idee, einen Strickschlips zu stricken. Ein bisschen eintönig vielleicht, aber machbar. Sollte ich es wieder tun, habe ich jetzt auch die Möglichkeit, ausgehend von diesem Prototyp, die Maße entsprechend anzupassen - etwa 2 Maschen weniger in der Breite, falls ich in Runden stricken sollte (insgesamt also minus 4 Maschen), längere schmale Seite, kürzere breite Seite. Außerdem würde ich ein farblich genehmes Seiden-Lace-Garn suchen. Aber wahrscheinlich würde ich nur eine Lage Schlips stricken, und die Rückseite füttern, bspw. mit einem Seidenfutter oder Satinband oder so. Müsste man ausprobieren.
Die harten Fakten:
Seed Stitch Tie Recipe by Benyamin Conn
angefangen: 21. Dezember 2015
fertiggestellt: 28. Dezember 2015 (plus 2 Wochen bis ich zum Blocken/Dämpfen gekommen bin)
Garn: Schachenmayr nomotta Micro in  Farbe 50 (marineblau) 
verbraucht: etwa 1 Knäuel? (uups. gar nicht gewogen. wird nachgereicht)
Größe/Maße: 51 cm schmal (zu kurz) plus 65 cm breit (zu lang)
Nadeln: Chiaogoo Red Lace 2 mm
Maschenprobe: wird nachgereicht.
weiteres Material: Stopfnadel/dicke Sticknadel zum Vernähen
Kosten: keine (Stashabbau).