Donnerstag, 17. August 2017

Taschen nähen. FO und Fazit: Arya von Machwerk. Außerdem: Was eine gute Wickeltasche ausmacht.

Mit der aktuellsten Fassung der geliebten Filztasche habe ich schon länger gehadert.
Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen hatte ich deutlich stärkeren Filz besorgt, als für die früheren Versionen, und dadurch wurde die Tasche nicht nur schwer zu nähen - das ist ja irgendwann überstanden - sondern auch schwer im Gewicht. Schon ohne irgendeinen Inhalt schleppte man sich dusselig daran. Dazu kam dann irgendwann Junior, durch den ich ganz andere Bedürfnisse an meine Alltagstasche stellen muss. Zum Beispiel ging es nicht so richtig gut, gleichzeitig ein Baby in der Tragehilfe vor dem Bauch zu haben und eine Tasche mit dem Gurt quer zu tragen, wie ich es seit Jahren gewohnt war.
mit etwa 3 Wochen altem Junior vor dem Bauch
Und für das ganz Wickelgedöns und Flaschen und sonstige Geraffel, das man auf einmal zusätzlich mitschleppt, war auch nicht genug Platz. Also musste irgendeine andere Tasche her.

Natürlich haben wir eine "richtige" Wickeltasche, die extra zu diesem Zweck vermarktet wird. Sie ist schlicht und "vätertauglich" in einer Art Indigo-Denim-Imitat und hat einen bequemen breiten Gurt, der lang genug ist, um über den Griff vom Kindewagen zur reichen. Außerdem ein "Feuchtfach", falls man mal nasse Wäsche transportieren muss (enthält Wechselwäsche), Fach mit Feuchttuch-Öffnung (verwenden wir nicht, weil dieses Ding praktischer ist), Flaschen-Isolierdings (noch nie benutzt) und Wickelunterlage (noch nie benutzt). Falls hier also jemand vorbeikommt, um sich über spezielle Wickeltashen zu informieren: Jede ausreichend große "normale" Tasche tut es auch, und sieht im Zweifel netter aus. "Ausreichend groß" mag jeder selbst bestimmen - bei uns muss mein Zeug (Portmonnaie, Schlüssel, Brillenetui, Taschentücher, ggf. Hustenbonbons) reinpassen, am besten in einem eigenen Fach, damit man alles schnell greifen kann. Das extra-Reißverschlussfach für Wechselwäsche, U-Heft etc hat sich auch bewährt. Darüber hinaus reicht uns ein großes Fach für Flaschen, Snacks, Windeletui, Sabberlatz und neuerdings auch Babybesteck. Wahrscheinlich erfüllt jede Laptoptasche diese Eigenschaften, sieht dabei deutlich weniger nach Wickeltasche - so zweckgebunden - aus, und ist im Zweifel sogar günstiger, weil man das ganze unnötige Extrazeug gar nie braucht. (Ernsthaft: Flaschenwärmer? kleine Thermoskanne mit warmem Wasser, Milchpulver abgemessen im Fläschchen, basta.)

Kurzum, wir kommen mit unserer Wickeltasche zwar klar, aber eine schöne Handtasche habe ich dadurch immer noch nicht.
Zum Glück kann ich ja nähen!
(Hier wieder einfügen, dass kaufen fast immer billiger ist und weniger Stress macht, aber... Jodeldiplom! Was eigenes! Unikat! Nur. Für. Mich!!!)

Der erste Versuch entstand schon letztes Jahr im September oder Oktober, wer weiß das schon so genau. Ich war als Patin zu einer Taufe geladen und wollte gut aussehen. Ich entschied mich für eine "richtige", "erwachsene" Handtasche, nämlich die ARYA von Machwerk. Das besondere daran ist der diagonale Reißverschluss, durch den die Öffnung einfach riesig wird und die Tasche schluckt und schluckt Inhalt, ohne jemals voll auszusehen. (Außerdem ist Arya Starck eh am coolsten.) Den Preis für das Schnittmuster finde ich mit 5,50 Euro fair, vor allem angesichts der sehr ausführlichen und idiotensicheren Foto-Anleitung und der Tatsache, dass man drei unterschiedliche Größenvarianten erhält.
Ich entschied mich für die mittlere Größe und eine Stoffkombination in kühlem grau mit blau.
Der Hauptstoff ist ein fester Kunstfaserstoff, wie dickes Flanell, trotzdem weich fallend. Die beiden Kombistoffe sind von Gütermann aus der Serie Fenton House.
die beiden rechten Stoffe: der mit den Punkten für die Verschlussklappe, der ganz rechts als Futter
Dazu habe ich ein ganz genau passendes blaues Leder bekommen, aus dem die Schlaufen für die D-Ringe, die Griffe und zwei kleine halbkreisförmige Besätze am Außenreißverschluss sind.
Vorn die "Neue", hinten die alte treue Pfaff.
Genäht habe ich ansonsten streng nach Anleitung und kam auch gut klar, dank der (damals) funkelnagelneuen Nähmaschine, mit der Reißverschlüsse, Leder und überhaupt präzises Nähen auf einmal überhaupt kein Hexenwerk mehr sind. Und dank der lustigen Ringe und extralanger Griffe passt auch sie an den Kinderwagen!
Trotzdem würde ich bei einem Nachfolgermodell zwei Sachen ändern: zum Einen würde ich auf das Innenfach verzichten und lieber eine große Reißverschlussinnentasche nähen. Und zum anderen würde ich den diagonalen Reißverschluss mit etwas dickerer Raupe und von zwei Seiten zu öffnen wählen. 
Und um es kurz zu machen und die mangelhaften Bilder zu erklären - ich muss und werde eine Folgeversion nähen, denn diese wurde auf der besagten Taufe von der Dienstältesten Freundin mit einem dezenten Hinweis auf ihren nahenden runden Geburtstag bewundert und wohnt nun schon länger nicht mehr hier...
Was die Frage "kaufen oder nähen" angeht:
Preislich ist natürlich kein Limit nach oben. Natürlich können schöne Stoffe viel Geld kosten -müssen aber auch nicht, was aber sich wirklich zusammenläppert sind die ganzen Extrateile... Mit Vlieseline, Einlage und Reißverschlüssen hatte ich ja schon gerechnet, dazu kamen dann noch 4 D-Ringe, 4 Karabiner, Hohlnieten, ggf. Nietenzange, Leder für Henkel, Seil und Lederkleber für Henkel... Natürlich hätten es Stoffhenkel auch getan, es wäre auch ohne das ganze Metall gegangen - aber dann wieder sieht es eben auch besser aus. Und da ich Großpackungen gekauft habe, bin ich für die nächsten Projekte versorgt, dann fällt das nicht mehr so auf.