Montag, 27. November 2017

Kopieren geht über Studieren. FO: Master Charles für Junior

Früher(TM) habe ich sehr eng an Anleitungen gehangen. Grenzenlos die Bewunderung für Menschen, die eigene Pullover entwerfen konnten! Das  muss doch wahnsinnig schwierig sein! Und wenn man schon nicht selber eine so grundlegende Vorstellung von davon hat, was man produzieren möchte, dass man es aus dem Nichts und etwas Wolle entwerfen könnte - dann wenigstens etwas sehen, was einem gefällt, und das einfach nachstricken können... Traumhaft!
Stellt sich raus, nach nur wenigen Jahren - in meinem Fall etwa 10 - regelmäßigen Strickens ist das gar nicht mehr soo schwierig. Zumindest ist es kein Hexenwerk. Ein aktuelles Beispiel ist Juniors neuester Pullover, den er zu seiner grenzenlosen Freude Gleichgültigkeit zu Weihnachten bekommen wird. (Das Kind ist anderthalb. Papier und Schleife werden in deutlich mehr interessieren.)

Jedenfalls hatte ich schon seit Urzeiten (etwa Juli 2011!) den "Master Charles Sweater" in meiner Zu-Stricken-Liste bei Ravelry. So ein hübscher, klassischer Zopfpullover! Mit Lederflicken! Und dieses Grün! Und zufällig hatte ich von dem grün-braunen Laurits noch 4,5 Knäuel grüne Wolle übrig. Sollte das reichen?
Ich hab's einfach mal ausprobiert.
Allerdings hatte ich keine Lust, die Anleitung zu kaufen - die Zöpfe waren so kompliziert nicht, und für mein dünneres Garn hätte ich ohnehin alles umrechnen müssen. Mit den Erfahrungen von Lavandin - es zahlt sich aus, immer dasselbe Garn zu verstricken -  frisch im Kopf machte ich mich ans Werk. Erstmal studierte ich die Notizen bei Ravelry, wo ich lernte, dass die Passform der Anleitung wohl ohnehin nicht so fantastisch sei - zu kurz, und die Ärmel zu eng.
Ich beschloss, mich einfach an die bei Lavandin verwendeten Zahlen zu halten, um einen diese Saison passenden Pullover zu erhalten. Dann, beginnend mit dem Rückenteil, zählte ich mehr oder weniger ab, wo die Zöpfe anzusiedeln wären, damit sie auf der Schulter enden, und strickte fröhlich darauf los.
glatt links ist auch nicht langweiliger als glatt rechts... mal was anderes.
Unterwegs kam mir die Idee, einmal einen neue Lösung für den dicken Babykopf zu finden - Knöpfe auf der Schulter sind umständlich zu öffnen und zu schließen und auch nicht immer schön. Ich beschloss, den von Baby-Bodies bekannten "amerikanischen" Ausschnitt für die Pulloverstrickerei zu adaptieren.

Dafür druckte ich das entsprechende Musterteil von Schnabelinas Regenbodenbody aus und verwendete das als Vorlage.
Auflegen und vergleichen. 
Wie genau steht in meinen Ravelry-Notizen, aber im Endeffekt liegt das Geheimnis in einer Kombination aus verkürzten Reihen und sehr sorgfältigem Abketten.
Das hat gut funktioniert. Für das Vorderteil musste ich eine kleine Maschenprobe machen um herauszufinden, wieviele Zusatzmaschen ich brauchen würde - das Zopfpaneel würde das Pulloverteil sonst viel zu schmal machen (plus 12 Maschen). Dann einfach Zöpfe über drei Maschen und 8 Reihen stricken, das ging sich wunderbar aus mit den kleineren flankierenden Seilzöpfen (über 2 Maschen und 4 Reihen).
Vorder- und Rückenteil mussten dann gemäß der Markierungen auf dem Schnittmuster so aneinandergenäht werden, dass das Rückenteil die vordere Schulter überlappt, und dann konnte ich die Armkugeln von oben einstricken - 64 Maschen - und ab Achsel alle 8 Reihen 2 abnehmen, 80 Reihen, 44 Maschen.
10 Reihen Bündchen und Seitennähte schließen - Maschenstich für linke Maschen dauert ewig - und dann: fertig! (Ironischerweise ist dieser Pullover, basierend auf den Erfahrungen des Vorgängermodells, sowohl etwas schmaler - wohl durch die Zöpfe - als auch kürzer. Dafür hat er längere Ärmel. Aber das passt ganz gut so.)

Naja, noch nicht ganz fertig, denn es fehlte noch das Tüpfelchen auf dem "I" - Lederflicken! Allerdings hat mich eine dieser hier erwähnten Hosen gelehrt, dass echtes Leder bei häufig gewaschener Kinderkleidung keine gute Idee ist. Im Falle der Hose war es brüchig geworden und hing in Fetzen. Ich entschied mich dafür für synthetische, maschinenwaschbare Bügelflicken aus Velours, die ich etwa hälftig teilte und auf ein Oval mit ca. 8x6cm Größe zurechtschnitt - perfekt! (und einer übrig für ein zweites, ähnliches Projekt!)
Eine kurze Internetrecherche ergab Hinweise zur perfekten Platzierung, nämlich (in diesem Fall) etwa 8 cm vom Ärmelsaum und um 2/3 von der Mitte nach hinten (also Ärmelrückseite) versetzt. Der Flicken soll ja schließlich am Ellbogen sein, und der winkelt sich nach hinten ab. Unter einem Tuch liegend aufgebügelt und anschließend mit der Maschine festgesteppt sollte das eigentlich halten. Jetzt Ärmelnähte schließen und fertig!
Ich bin sehr zufrieden.Tragebilder gibt es dann nach Weihnachten.

Die harten Fakten:
Inspiriert von
Master Charles Sweater by Kate Oates
und meinem Vorgängermodell "Lavandin".
angefangen:  20. September 2017
fertiggestellt:  14. November 2017
Garn:  fairAlpaka Baby Merino 120 Superwash  (grün heather)
verbraucht: 225 g
Größe/Maße:
Brustweite:  28 cm
Saum bis Achsel:  23 cm
Saum bis Schulter: 36 cm
Halsweite:  13-15 cm
Ärmel bis Achsel: 25 cm

Eine erste Anprobe zeigt - das sitzt gut, Ärmel noch etwas lang. Wahrscheinlich eine 92, vielleicht sogar 98.